Meißnerfahrt

Der Fackelschein gibt ein spärliches Licht auf die aufschließenden Kameraden. Der Regen hat wohl nachgelassen, oder ist es der Wald, der den Wind bricht? Vor allem wohl die Bewegung, die mich die Nässe nicht mehr so spüren läßt. Wir steigen vom Feuerplatz an der Hausener Hute den Weg hinab, den wir schon knappe andertalb Tage vorher bei kaltem, klarem Wetter hinabgestiegen waren. Wir sind nass bis auf die Haut, aber im schnellen Marsch wird uns wieder warm. Jetzt stehe ich und warte, daß die Kameraden über umgestürzte Bäume und Stufen nachkommen. Viel hatten wir in den letzten Tagen erlebt:

 

Am 3. Oktober, dem Tag der deutschen Einheit, empfing uns am Ludwigstein kalter Wind aus
Osten. Auf der Burg herrschte reges Treiben: Kohten und Jurten wurden errichtet, Feuer entzündet, Ausstellungen und Werkstätten vorbereitet und der Markt der Jugendbewegung aufgebaut. Vom Hanstein kamen unsere Kameraden und viele andere Fahrtenteilnehmer herüber. Dort hatte am Vorabend die Meißnerfahrt begonnen. Ähnlich wie schon vor
einhundert Jahren hatte nun der RjB Hessen aufgerufen, gemeinsam auf den historischen Spuren der ersten Meißnerfahrer auf Fahrt zu gehen. So trafen wir auf viele Jugendbewegte
aus verschiedenen Bünden. Auch viele Bekannte vom gemeinsamen Bau des Ennos sowie ganz Unbekannte waren da und machten uns neugierig.

Der Nachmittag war durch den Markt der Jugendbewegung, Arbeitsgemeinschaften, Volkstanz und Ausstellungen geprägt. Abends war zu einer Gedenkrunde im Burghof aufgerufen worden. Wir standen im Fackelschein und gedachten der gefallenen Wandervögel und Pfadfinder, die in den Kriegen ihr Leben ließen.

Nach kalter, klarer Nacht brachen wir früh die Kohte ab, packten die Rucksäcke und wanderten wie viele andere in kleinen Gruppen auf dem Schneehagenweg, benannt nach dem Organisator des ersten Meißnertages 1913, zum Meißner. Es ging über kahle Felder, dann durch Buchenwälder.

Wir kamen über einen von Kalkstein gebildeten Rücken mit einer Trockenrasenvegetation. Nun tauchte im strahlenden Himmel schon das Meißnermassiv vor uns auf. Dann war auch die Gulaschkanone für die Mittagsrast erreicht. Die Kochgeschirre wurden ausgepackt, wir standen in langen Schlangen. Doch die Gemüsesuppe brauchte noch eine Weile. So wurden eine hier für uns aufgebaute Ausstellung angeschaut und das eine oder andere Gespräch geführt.

Nun liefen wir mit anderen Fahrtteilnehmern durch Sonne und kalten Wind und hatten dabei interessante Gespräche. Am ganzen Meißner zogen wir entlang bis zur Hausener Hute und zum Gedenkstein für das erste Meißnertreffen. Von dort ging es bergab zum Lagerplatz. Auf der Wiese waren bereits einige Jurten aufgestellt, Stangen lagen bereit und nach einer kurzen Einweisung durch Schrubbel begannen wir mit dem Aufbau unserer Kohten. Dieweil wurde von der Lagermannschaft ein Schild vor der Großjurte errichtet: „Eintracht krönt das Fest“. Bei einbrechender Dunkelheit wurden große Fackeln aufgestellt, die die Orientierung auf dem großen Lagerplatz erleichterten. In der Großjurte wurde dann bis spät in die Nacht gemeinsam mit vielen Fahrtenteilnehmern gesungen.

Der nächste Morgen empfing uns mit Regen. Nach einem schönen, kurzen Morgengruß wurden Arbeitsgemeinschaften vorgestellt, es gab ein Geländespiel, Wanderungen und verschiedene Vorträge.

Für den Nachmittag waren ein Singewettstreit und ein Bunter Nachmittag angesetzt. Beides mußte mit reduziertem Programm in der Großjurte stattfinden. Aber es ist schon erstaunlich, wie viele Menschen dieses Zelt zu fassen vermochte. Danach wurde das Abendessen ausgepackt. Beim Aufbau des Feuerstoßes für die Nacht haben sich unsere erfahrenen Kameraden hervorgetan, nun sah man sie ihre Hemden am Feuer trocknen. Leider war der Austausch zwischen den verschiedenen Fahrtenteilnehmern durch den ununterbrochenen Regen stark eingeschränkt. So gab es nur vereinzelte Besuche in den unterschiedlichen Jurten. Bei abnehmendem Tageslicht sammelte sich alles auf dem Lagerplatz zum Abmarsch. Das Festfeuer sollte nahe der Hausener Hute, dem historischen Ort des ersten Treffens, brennen.

Nachdem wir lange durch den ergiebigen Regen gewandert und insgesamt fast zwei Stunden versucht hatten, den Worten der Redner zu lauschen, wurde der Feuerstoß entzündet. Natürlich dauerte es lange Zeit, bis sich die Flammen Bahn brachen, aber der Stoß war von Fachleuten errichtet worden, und so brannte er letztlich doch. Allerdings waren die Teilnehmer so nass, dass sie sich dicht um den Stoß zusammendrängten.

Nass liegt das Lager am letzten Morgen im Dunst. Der Regen hat endlich aufgehört. Wir packen unsere Sachen, ein kurzer Morgengruß und eine Runde Volkstanz. Dann geht es an den Abbau des Lagers.

So machen auch wir uns auf dem Heimweg. Was bleibt? Wir hatten viele interessante Begegnungen, konnten uns mit vielen austauschen und andere Sicht- und Herangehensweisen kennenlernen. Konnten neue Freundschaften schließen, aber auch Unterschiede zwischen den verschiedenen Teilnehmern wahrnehmen. Schrubbel und seiner Lagermannschaft, dem Ludwigstein sowie dem RjB Hessen gilt ganz besonderer Dank, dass sie allen Anfeindungen zum Trotz diese großartige Fahrt organisiert, durchgeführt oder dafür Raum geboten haben.

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